Im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen (EU-Richtlinie 2019/1152 – Arbeitsbedingungen-Richtlinie) wurde u. a. das Nachweisgesetz (NachwG) geändert und ergänzt. Die neue Fassung erlangte bereit am 01. August 2022 ihre Gültigkeit.
Was ist das Nachweisgesetz?
Das deutsche Nachweisgesetz regelt, welchen Informations- und Dokumentationspflichten Arbeitgeber:innen der privaten Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes nachkommen müssen.
Damit verpflichtet das Nachweisgesetz Arbeitgeber:innen, alle wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrages schriftlich aufzuzeichnen, die Niederschrift zu unterzeichnen und den Arbeitgebenden zu übergeben. Die Pflicht zur schriftlichen Dokumentation aller wichtigen Arbeitsbedingungen soll für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Arbeitsverhältnis sorgen.
Welche Inhalte waren bisher im Arbeitsvertrag Pflicht?
Laut dem deutschen Nachweisgesetz waren Arbeitgeber:innen bisher dazu verpflichtet, die folgenden Bedingungen eines Arbeitsvertrages in schriftlicher Form niederzulegen und den Arbeitnehmenden auszuhändigen:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien
- Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
- Dauer des Arbeitsverhältnisses bei Befristung
- Arbeitsort
- Bezeichnung oder Beschreibung der Tätigkeit
- Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts
- Arbeitszeit
- Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
- Kündigungsfristen
- Allgemeiner Hinweis auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind.
Bis jetzt galt dafür eine Monatsfrist nach Beginn des Arbeitsverhältnisses.
Achtung: Die schriftliche Form bezieht sich auf § 126 Abs. 1 BGB. Dieser besagt, dass die arbeitgebende Person die Niederschrift vor Aushändigung an eine beschäftigte Person eigenhändig unterzeichnen muss. Der Nachweis in elektronischer Form (z. B. Übersendung als E-Mail oder PDF mit digitaler Signatur) ist somit ausgeschlossen!
Welche zusätzlichen Angaben sind seit dem 01. August 2022 verpflichtend?
Im Zuge der Neufassung des Gesetzes müssen zusätzlich noch folgende Arbeitsbedingungen schriftlich dokumentiert werden:
- Bei Befristung: Enddatum des Arbeitsverhältnisses (sofern ein solches feststeht)
- Sofern vereinbart, ein Hinweis darauf, dass der oder die Arbeitnehmer:in an verschiedenen Orten beschäftigt werden soll oder den Arbeitsort frei wählen kann
- Sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit
- Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung
- Die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen
- Sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
- Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber oder von der Arbeitgeberin bereitgestellte Fortbildung
- Sofern der oder die Arbeitgeber:in dem oder der Arbeitnehmer:in eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist.
- Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der arbeitgebenden und der arbeitnehmenden Person einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
- Die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage (innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung, vgl. § 4 S. 1 Kündigungsschutzgesetzes (KSchG)) sowie den Hinweis darauf, dass nach Ablauf der Klagefrist die Kündigung als rechtswirksam anzusehen ist (vgl. § 7 KSchG) und dies auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gilt.
Tipp: § 2 Abs. 4 NachwG sieht ausdrücklich vor, dass auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und ähnlichen Regelungen verwiesen werden darf, wenn in diesen die entsprechenden Punkte (u. a. Dauer der Probezeit und Möglichkeit der Anordnung von Überstunden) geregelt sind.
Ist die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend für die Punkte „Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs“ sowie „das bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren“, so kann darauf verwiesen werden.
Müssen alle zusätzlichen Bedingungen aufgeführt werden?
Nein! Es müssen lediglich die Bedingungen aufgelistet werden, die auch tatsächlich im Arbeitsverhältnis Bestand haben. Wenn es also zum Beispiel keine Befristung oder keine Schichtarbeit gibt, ist es nicht erforderlich, diese Punkte im Vertrag aufzuführen bzw. zu erwähnen, dass etwa keine Schichtarbeit vereinbart wurde.
In welchen Fällen greift die neue Regelung?
Die neue Regelung gilt für alle Neueinstellungen ab dem 1. August 2022. Anders als früher muss der arbeitnehmenden Person nun aber bereits am ersten Arbeitstag die schriftliche und von der arbeitgebenden Person unterzeichnete Niederschrift mit den Informationen über den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, das Arbeitsentgelt und seine Zusammensetzung sowie über die Arbeitszeit vorliegen. Alle weiteren Nachweise müssen spätestens in sieben Kalendertagen nachgereicht werden.
Was gilt für Beschäftigte mit bereits bestehenden Arbeitsverträgen?
Beschäftigte, die bereits vor dem 1. August 2022 eingestellt wurden, müssen nicht schriftlich über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen informiert werden. Es sei denn, sie fordern diese Informationen von den Arbeitgebenden ein. In diesem Fall ist es nicht notwendig, die Arbeitsverträge anzupassen. Stattdessen empfiehlt es sich, den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ein unterschriebenes Informationsblatt bzw. eine unterzeichnete Auflistung der Arbeitsbedingungen auszuhändigen. Die Frist beträgt dafür sieben Kalendertage. Für Informationen über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, das Kündigungsverfahren und die geltenden Kollektivvereinbarungen ist eine Frist von einem Monat verbindlich.
Sobald sich die grundlegenden Arbeitsbedingungen in bestehenden Arbeitsverhältnissen ändern, muss der oder die Arbeitnehmer:in spätestens am Tag der Änderung darüber (schriftlich) in Kenntnis gesetzt werden. Auf Gesetzesänderungen, Änderungen in Tarifverträgen oder Betriebs- oder Dienstvereinbarungen muss weiterhin nicht schriftlich verwiesen werden.
Hinweis: Wenn der schriftliche Arbeitsvertrag bereits ohnehin alle Bedingungen beinhaltet, ist laut § 2 Abs. 5 NachwG kein separater Nachweis erforderlich.
Was passiert bei einem Verstoß gegen das Nachweisgesetz?
Wer nunmehr gegen die Vorgaben aus dem Nachweisgesetz verstößt, dem droht jeweils ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro.
Fazit
Arbeitgeber:innen, die Musterarbeitsverträge bei der Neueinstellung nutzen, müssen diese (wenn noch nicht geschehen) umgehend um die neuen Angaben ergänzen!
Arbeitgebende müssen zudem mit Nachfragen von Bestandsmitarbeitenden (Mitarbeitende, die schon vor dem 1. August 2022 im Unternehmen beschäftigt waren) rechnen. In Vorbereitung darauf sollten Sie Überlegungen anstellen, für welche Gruppen von Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen ggf. Standardschreiben oder Informationsblätter mit den ergänzenden Hinweisen erstellt werden können. Das ist jedoch nur möglich, wenn tatsächlich identische Arbeitsbedingungen vorherrschen. So oder so müssen sich Arbeitgebende auf Nachfragen von Bestandsmitarbeitenden einstellen.
Bei Bestehen eines Betriebsrates können Arbeitgeber:innen erwägen, allgemeine Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, betriebliche Altersversorgung, Schichtsystem etc., in Betriebsvereinbarungen zu regeln. Denn hierauf könnte in den Arbeitsverträgen verwiesen werden.
Tipp: Eingehende und professionelle Hilfe bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen erhalten Arbeitgeber:innen von Rechtsberatern bzw. Rechtsberaterinnen. Diese unterstützen und beraten bei der Formulierung von Arbeitsverträgen und den in der Niederschrift schriftlich zu dokumentierenden Arbeitsbedingungen.