Die digitale Transformation ist nach wie vor ein Thema, das bei vielen Kleinunternehmen eher Unbehagen auslöst. Vor allem in Handwerksbetrieben mangelt es häufig an Zeit, finanziellen Mitteln und technischem Know-how, um sich zusätzlich zum herausfordernden Kerngeschäft mit innovativen Technologien zu befassen. Auch wenn dies in gewisser Weise nachvollziehbar ist, lässt es sich doch nicht vermeiden. Denn auch für diesen traditionsreichen Gewerbezweig stehen die Zeichen der Zukunft auf digital.
Die Benchmark-Studie ,,Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“ der techconsult ergab: Die Handwerksbetriebe bewegten sich 2020 in puncto Digitalisierung auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr. Beim Digitalisierungsindex erreichten sie 57 von 100 möglichen Punkten. Allerdings wird der Digitalisierungsgrad im deutschen Handwerk maßgeblich von der Vielfalt der Gewerke beeinflusst. Somit gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Gewerken.
Allgemein legten die Handwerksbetriebe ihren Fokus auf die Produktivität. Mithilfe digitaler Anwendungen, wie z. B. digitaler Kassensysteme konnten interne Prozesse effektiver gestaltet und somit produktiver gearbeitet werden. Dabei hängt der Einsatz digitaler Tools vom jeweiligen Gewerk ab. Wegbereiter sind hier vor allem die Handwerksbetriebe im gewerblichen Bereich. Sie gehören zu den Top-Digitalisierern im Handwerk und konnten nicht nur bessere Ergebnisse erzielen, sondern auch die Krise besser bewältigen. 83 Prozent der sogenannten Digital Leader im Handwerk konnten dank digitaler Lösungen schneller und flexibler auf die Coronakrise reagieren. Im Durchschnitt aller Handwerksbetriebe konnten dies nur 37 Prozent von sich behaupten.
Für die Studie wurden mehr als 2.000 kleine und mittelständische Unternehmen befragt.
1. Vielfalt der Gewerke
Traditionell wird das Handwerk von kleinen und mittleren Unternehmen sowie einem enormen Spektrum an Leistungen und Angeboten bestimmt. Und so vielfältig wie die einzelnen Gewerke sind, so unterschiedlich ist auch ihr Digitalisierungsgrad.
Digitalisierungsgrad abhängig vom Gewerk
Während die Betriebe insgesamt einen Indexwert von 57 Punkten erzielten (siehe Abbildung 1), herrschen zwischen den einzelnen Gewerken deutliche Unterschiede. Den höchsten Digitalisierungsgrad weist das Handwerk für den gewerblichen Bedarf auf. Mit einem Indexwert von 63 von 100 möglichen Punkten sind Gewerke wie zum Beispiel Metallbauer, Feinwerkmechaniker oder Elektromaschinenbauer am weitesten digitalisiert. Lediglich 53 Punkte erreichen hingegen das Bauhandwerk und das Handwerk für private Zwecke, zu dem unter anderem Friseure, Schneider, Textilreiniger oder Goldschmiede gehören.
Anstieg der Produktivität
Im Fokus der Digitalisierung lag vor allem die Produktivität. Ihr Indexwert stieg im Vergleich zum Vorjahr um einen Zähler auf 55 Punkte (siehe Abbildung 1). Dies ist u. a. auf die Verlagerung der Arbeit in das Homeoffice zurückzuführen. Hierfür investierten Unternehmen in mobile Geräte, digitale Lösungen und Tools für ihre Mitarbeiter, um die Zusammenarbeit und Kommunikation zu jeder Zeit zu gewährleisten. Das sich diese Investitionen ausgezahlt haben, zeigen folgende Zahlen:
- 90 Prozent der Betrieb arbeiten effizienter und damit produktiver,
- 78 Prozent der Betriebe reduzieren Kosten (im Durchschnitt um 16 Prozent) und
- 84 Prozent der Betriebe arbeiten flexibler.
Abbildung 1: Wo die Digitalisierung am meisten bewirkt hat (techconsult GmbH, 2021, S. 4)
2. Branchentechnologien prägen den Digitalisierungsgrad
Der digitale Fortschritt des Handwerks stützt sich neben der Transformation von Prozessen auch auf digitale branchenspezifische Technologien und Anwendungen.
Handwerk im gewerblichen Bereich
Maschinenstillstände können für Betriebe folgenschwere Auswirkungen haben, da der Stillstand die Produktivität bremst und die Kosten erhöht. Um Veränderungen an Maschinen rechtzeitig zu erkennen, setzen gewerblich tätige Handwerksbetriebe auf Remote Monitoring und Control. 28 Prozent aller Handwerksbetriebe umgehen so bereits Stillstände. Im Jahr 2021 wollen sogar 61 Prozent mit Fernüberwachung ihre Produktivität steigern und sich Wettbewerbsvorteile sichern (siehe Abbildung 2). Betriebe schätzen den Einsatz von Remote Control dabei wie folgt ein:
- 91 Prozent arbeiten produktiver,
- 88 Prozent reduzieren Ausfallzeiten und
- 88 Prozent bekommen einen besseren Einblick in Maschinenabläufe.
Weitere digitale Anwendungen, die im gewerblichen Bereich aktuell und zukünftig eine Rolle spielen, sind im folgenden Diagramm dargestellt:
Abbildung 2: Digitale Tools im Handwerk (techconsult GmbH, 2021, S. 6)
Handwerk im privaten Sektor
Digitale Kassensysteme sind wahre Allrounder. Ihr Einsatz bringt nicht nur buchhalterische Vorteile mit sich. Unternehmen können mit ihrer Hilfe Warengruppen verwalten, ihr Sortiment pflegen und Produktbestände in Echtzeit abgleichen. Dadurch wird der Nachbestellprozess optimiert und das Sortiment kann bedarfsgerechter zusammengestellt werden. Außerdem lassen sich Buchungen in Echtzeit einsehen und direkt an das Finanzamt übertragen.
Digitale Kassen sind die treibende Kraft der Digitalisierung. 38 Prozent aller Händler, die den privaten Bedarf absichern, nutzen schon digitale Kassen. 33 Prozent planen den Einsatz für 2021 (siehe Abbildung 3).
Sonstige Tools, die im Handwerk für den privaten Bedarf von großer Bedeutung sind, können dem Diagramm entnommen werden:
Abbildung 3: Womit Handwerker für den privaten Bedarf digitaler werden (techconsult GmbH, 2021, S. 7)
Bauhandwerk
Digitale Anwendungen unterstützen Dachdecker, Installateure oder Fliesenleger dabei, ihre Prozesse zu optimieren und insgesamt produktiver zu wirtschaften. Mithilfe eines digitalen Bautagebuchs dokumentieren Betriebe nicht nur den Baufortschritt, sondern halten auch alle geplanten und erbrachten Leistungen inklusive der jeweils benötigten Materialien fest. Der enthaltene digitale Stundenzettel erleichtert zudem die Bauabrechnung. 35 Prozent der Gewerke des Bauhandwerks nutzen schon heute ein digitales Bautagebuch. Weitere 28 Prozent planen zukünftig dessen Verwendung (siehe Abbildung 4).
Zusätzliche Technologien, die das Bauhandwerk auf dem Weg der Digitalisierung voranbringen, sind im folgenden Diagramm abgebildet:
Abbildung 4: Womit das Bauhandwerk digital vorankommt (techconsult GmbH, 2021, S. 7)
3. Corona treibt die Digitalisierung voran
Die Konsequenzen der Pandemie für die einzelnen Handwerksbereiche sind verschieden. So mussten während der Lockdowns vor allem Handwerksbetriebe für den Privatsektor wie Friseure oder Kosmetikstudios ihr Geschäft schließen. Das Bauhandwerk z. B. hatte hingegen deutlich geringere Einschränkungen hinzunehmen. Grundsätzlich waren jedoch alle Handwerksbetriebe gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, um geschäftsfähig zu bleiben und die Krise so gut es geht zu überwinden. 49 Prozent der Unternehmen aller Gewerke passten daher kurzfristig ihre Produkte, Services und Geschäftsmodelle an. 39 Prozent digitalisierten außerdem kurzfristig wichtige Prozesse.
Homeoffice nur teilweise möglich
Während der Corona-Pandemie konnten viele Beschäftigte ihre Arbeit nach Hause verlagern. Für Mitarbeiter der Handwerksbranche ist dies jedoch nur bedingt möglich. Dennoch können vor allem Verwaltungs-, Koordinations- und Dokumentationsaufgaben auch im Homeoffice erledigt werden. Vor der Krise war es lediglich 16 Prozent der Mitarbeiter von Handwerksbetrieben möglich, von zu Hause zu arbeiten. Im Zuge der Pandemie lagerten weitere 55 Prozent der Unternehmen einzelne Arbeiten ins Homeoffice aus.
4. Digital Leader sind im Vorteil
Wie in vielen Branchen zeigt sich auch im Handwerk, dass der Digitalisierungsgrad und die Krisenbewältigung in direktem Zusammenhang stehen. Das heißt, je höher der Digitalisierungsgrad, desto reibungsloser überstanden Betriebe die Krise. Dies belegen auch die Zahlen der techconsult-Studie. So erreichen die Digital Leader im Handwerk, d. h. die zehn Prozent der Unternehmen mit den höchsten Digitalisierungsgraden einen Indexwert von 89 Punkten. Für 83 Prozent der Top-Digitalisierer war es demnach problemlos möglich, schnell und flexibel auf die Krise zu reagieren. Von den übrigen Unternehmen konnten dies lediglich 37 Prozent bestätigen.
Eigenen Aussagen zufolge haben 82 Prozent der digitalen Vorreiter die Corona-Krise so gut bewältigt, weil ihr Geschäftsmodell und ihre Prozesse bereits im Vorfeld wesentlich digitalisiert waren. Im Branchendurchschnitt traf dies lediglich auf 40 Prozent der Unternehmen zu. Dabei kann es sich auszahlen, den Ausbau der Digitalisierung zu forcieren. Dies belegen die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen: Die Top-Digitalisierer der Branche
- reagieren schneller,
- realisieren Aufträge schneller,
- liefern bessere Produkt- und Servicequalität,
- erreichen mehr Kunden und
- erwirtschaften mehr Umsatz (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: Bessere Resultate für Top-Digitalisierer (techconsult GmbH, 2021, S. 9)
5. Mehr Erfolg durch Datenanalysen
Die Analyse von Daten spielt nicht nur im Finanz- oder IT-Sektor eine bedeutende Rolle. In nahezu allen Branchen können mithilfe von Analytics Potenziale aufgedeckt werden. So auch in der Handwerksbranche.
78 Prozent aller Handwerksbetriebe nutzen bereits softwarebasierte Datenanalysetools. Hierbei analysieren sie vorrangig allgemeine Geschäftsdaten und Transaktionsdaten wie z. B. Verkaufs- und Rechnungsdaten. Die Potentiale bemessen Unternehmen dabei wie folgt:
- 80 Prozent rechnen mit mehr Umsatz (im Durchschnitt 16 Prozent),
- 80 Prozent reduzieren Kosten,
- 74 Prozent verbessern ihre Geschäftsprozesse,
- 74 Prozent werden wettbewerbsfähiger und
- 70 Prozent arbeiten produktiver.
6. Kein Investitionsstopp trotz Corona
Trotz Corona gab die Mehrheit der Handwerksbetriebe an, auch weiterhin in den IT-Bereich investieren zu wollen, um die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben. Mehr als 50 Prozent der Handwerksunternehmen wollten die Budgetplanung für weitere Digitalisierungsmaßnahmen aufrechterhalten. 23 Prozent planten sogar, ihre IT-Investitionen zu erhöhen. Fast ein Fünftel sah sich jedoch gezwungen, ihr IT-Budget pandemiebedingt zu mindern.
Technologien, die zukünftig von Bedeutung sind
Die Ausstattung der Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten gewinnt pandemiebedingt zunehmend an Bedeutung. Knapp drei Viertel der Handwerksunternehmen wollen auch weiterhin in Mobilgeräte investieren. 26 Prozent davon möchte ihre Investitionen in diesem Bereich sogar anheben. Auch Cloud-Technologien spielen weiterhin eine bedeutende Rolle. 43 Prozent aller Handwerksbetriebe halten an ihren geplanten Investitionen für Cloud-Computing fest. 20 Prozent möchten ihre Investitionen in diesem Bereich sogar anheben (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6: Ausschnitt von Die Auswirkungen von Corona auf Investitionsentscheidungen (techconsult GmbH, 2021, S. 12)
7. Fazit und Ausblick
Die Corona-Krise schärfte das Bewusstsein der Handwerksunternehmen in Deutschland für die Bedeutsamkeit und den Fortschritt der digitalen Transformation. Dank digitaler Lösungen war es den Betrieben möglich, ihre Geschäftsabläufe aufrechtzuerhalten und sich flexibel an neue Anforderungen anzupassen. Nichtsdestotrotz lässt sich anhand der Studienergebnisse erkennen, dass weiterer digitaler Handlungsbedarf besteht. Aus diesem Grund planen vier von zehn Handwerksunternehmen ihr Geschäftsmodell in Zukunft intensiver als bisher durch digitale Services und Dienste auszubauen. 37 Prozent aller konsultierten Handwerksbetriebe wollen die Digitalisierung ihrer Unternehmensprozesse verstärken.
Unterstützung und Finanzierung von Digitalisierungsvorhaben
Investitionen in Digitalisierungsmaßnahmen sind für Unternehmen nicht immer einfach zu stemmen. Schon gar nicht aus eigener Kraft. Laut Angaben aller Handwerksbetriebe brauchen 41 Prozent finanzielle Unterstützung für die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben. 37 Prozent gaben an, dass sie für eine erfolgreiche zukunftsfähige Ausrichtung Hilfestellung benötigen. Sprich, um Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Zahlreiche Initiativen von Bund und Ländern unterstützen kleine und mittlere Handwerksunternehmen in Form von Beratungsleistungen, Fördermitteln, Subventionen und Finanzierungsangeboten oder Krediten bei der Realisierung individueller Digitalisierungsprojekte.
Quelle
techconsult GmbH (2021). Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021: Der digitale Status quo im deutschen Handwerk (1. Aufl.). Deutsche Telekom AG.
https://www.digitalisierungsindex.de/wp-content/uploads/2021/01/Telekom_Digitalisierungsindex_2020_BRANCHENBERICHT_HANDWERK.pdf
Mehr zum Digitalisierungsindex der Telekom AG & techconsult GmbH erfährst du hier.